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Umgang mit Demenz - Kleine Hilfestellung für Angehörige

 „Wir müssen lernen in den Schuhen des anderen zu gehen“.

Naomi Feil

Es gibt so Momente im Leben, die vergisst man nie, die prägen sich ein und werden ein Wegweiser für die Zukunft.

 

Einer dieser Momente fand irgendwann zwischen 2011 und 2016 in meiner Tätigkeit als Physiotherapeutin im Pflegeheim Perchtoldsdorf statt:

 

Damals- noch um ein paar Jahre jünger und unerfahrener- wurde ich zu einer Bewohnerin, über 90 Jahre und an Alzheimer erkrankt, gerufen, die nicht mehr aufstehen, sich nicht bewegen und überhaupt nichts mehr wollte.

 

Ich sollte versuchen sie wieder zu mobilisieren.

 

Voller Tatendrang ging ich zu ihr und wollte sie zum Aufstehen bewegen.

Mit einer Aggression in der Stimme, aber eigentlich auch nicht ganz unlogisch, herrschte sie mich an, dass ich junger Hupfer ihr gar nichts zu sagen habe.

 

Und im Übrigen wolle sie Opernsängerin werden!

 

Da war ich paff!

 

Damit hatte ich nicht gerechnet...

...aber/und es war ein Ansporn für mich, mich mit dem Thema "Demenz"zu befassen und mich schlau zu machen.

 

Validation nach Naomi Feil:

 

Das Konzept wurde von Naomi Feil, einer US-amerikanischen Sozialarbeiterin, begründet.

Es basiert auf dem Gedanken, dass verwirrten Menschen ein wertschätzender Umgang gebührt und ihre Gedankenwelt als gültig anerkannt wird.

Es fällt vielen Angehörigen und in der Pflege beschäftigten Menschen schwer, mit den für ein „gesundes“ Empfinden seltsamen oder „ver-rückten“ Verhaltensweisen oder Gesprächen umzugehen.

 

(Wie es weiter ging?

Wir begannen in der Therapie zu singen und sie erzählte mir von ihrem Traum Sängerin zu werden.

Ich nahm es so an, wie sie es sagte und versuchte ihr nicht zu erklären, dass es doch nicht möglich sei.

Sie wurde eine meiner Lieblingspatientinnen und sie machte gerne in der Therapie mit.

Dieser Erfahrung folgten noch viele.)

 

Es ist mir bewusst, dass viele Angehörige an ihre Grenzen stoßen, physisch und psychisch:

Eine große Belastung ist die Wesensveränderung der Person und ständige Notwendigkeit der Beaufsichtigung, die diese Menschen brauchen.

 

Vielleicht kann es trotzdem eine kleine Hilfestellung sein.

 

3 Grundsätze:

  • Akzeptieren, nicht widersprechen und an der Realität orientieren.
  • Mit einfühlendem Verständnis zur Seite stehen und Empathie zeigen.
  • Echt und ehrlich in seinen Gefühlen bleiben und Selbstkongruenz ausstrahlen.

Techniken des Validierens nach Naomi Feil

  • Nicht widersprechen, sondern auf diese seine/ihre Welt einlassen.
  • Angehörige sollen sich von den Bedürfnissen und Gefühlen leiten lassen, die die verwirrten Menschen signalisieren, nicht von deren Aussagen
  • Gespräche erfolgen ruhig, klar, verständlich, wertschätzend und eindeutig
  • W-Fragen, wie „wer, was, wo, wann“ sind ideal – vermieden wird „warum“. Warum verlangt eine logische Erklärung, wozu aber demenziell Erkrankte meist nicht fähig.
  • Von vorne auf Augenhöhe ansprechen.
  • Sagen, was man tut und ob man berühren darf.
  • Bei fortgeschrittener Demenz ist Routine, Vertrautheit (Nicht ständig wechselnde Menschen, immer der gleiche Primärkontakt zB. die Hand geben ist wichtig.)
  • Ausreichend Zeit geben, um das Gesagte zu verstehen
  • Pro Satz eine Mitteilung
  • Nonverbale Kommunikation verwenden und die eigenen Worte mit Gestik, Mimik und Tonfall verstärken.
  • Niemals lügen: Ein dementer Mensch merkt jegliches „Theater spielen“

 

Alzheimer-Patienten sind nicht verrückt.

Lediglich ihre Gedanken geraten durcheinander und diese sind quasi „ver-rückt“.

Die Kommunikationsmethode der Validation dient  einem besseren Verständnis von Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind.

 

Ziel der Validation ist es sich über die Gefühlswelt der betroffenen Menschen unter Berücksichtigung ihrer Biografie einen Zugang zu ihrer Erlebniswelt zu ermöglichen.

 

Bedürfnisse zu erkennen, die hinter einer Aussage oder einem Verhalten stecken mögen.

 

So kann sich zum Beispiel im konkreten- wenn auch irritierenden- Wunsch „nach Hause zu wollen“, obwohl sich der Alzheimer-Patient zu Hause befindet, das Bedürfnis nach Geborgenheit ausdrücken.

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Kommentare: 1
  • #1

    Waltraud (Samstag, 01 Juli 2023 14:31)

    In dem Buch "Der alte König in seinem Exil" von Arno Geiger erzählt dieser sensibel von seinem an Demenz erkrankten Vater, dessen Erinnerungen und Orientierungen langsam verblassen. Arno Geiger begleitet ihn viele Jahre und findet in der Persönlichkeit seines Vaters weiterhin viele liebenswerte Eigenschaften. Es erzählt von einem Leben, das trotz Demenz noch wert ist gelebt zu werden und der Erkrankte ein Mensch mit seiner eigenen Vergangenheit und Würde ist. Für Angehörige ist es nicht einfach diese Würde zu vermitteln und das Buch ist für Betroffene absolut empfehlenswert. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Meine immer agile Mutter zeigte nach zwei Schlaganfällen die ersten Anzeichen von Demenz, die sich relativ rasch verstärkt haben. Und manchmal frage ich mich, ob ich ihr diese verdiente Würde als Mensch vermitteln konnte. Es ist etwas, was ich nicht mehr nachholen kann und ich verstehe erst jetzt wie wertvoll, weil sehr begrenzt, diese Zeit mit ihr war.