Wozu sind die weißen Fasern einer Zitrusfrucht?
Sie füllen alle Hohlräume aus, unterteilen und geben dem Fruchtfleisch Halt und Struktur.
Sie sind gleich unter der Schale, ziehen aber auch in die Tiefe bis in die Mitte der Frucht.
Und ähnlich sind die Faszien in unserem Körper:
Alles in unserem Körper hängt zusammen und ist durch ein Gewebe aus extrem flexiblen Fasern miteinander verbunden.
20 kg eines durchschnittlich schweren Menschen soll dieses weißliche Gewebe-die Faszie-ausmachen.
Es umhüllt unsere Muskeln, Sehnen, Organe, das Gehirn und ist Bindeglied zu unseren Knochen.
Deshalb ist der Ort des Schmerzes nicht immer der Ort der Ursache. Das ist auch sehr relevant für die Therapie.
Man vermutet, dass die Kräfte nicht nur vertikal sondern auch horizontal übertragen werden.
WORAUS BESTEHT DIE FASZIE?
- Fibroblasten: Die Zellen der Faszie. Sie stellen die Kollagenen Fasern her aus denen die
- Matrix zum Großteil besteht.
Fibroblasten machen nur 10% des Volumens aus, erzeugen aber den Rest des Gewebes.
Matrix:
- Grundsubstanz: Zwischen den Bindegewebsfasern. Sie verhindert Verklebungen. Durch langsame Bewegung (Dehnung) und Manipulation kann die Grundsubstanz von fester zu flüssiger Konsistenz übergehen.
- Kollagene Fasern: ca 70% der Bindegewebsfasern, geben Festigkeit und Druckresistenz, verleihen innere Struktur und äußere Form, glätten sich bei Zug und werden durch Wärme weicher.
- Elastische Fasern: Sie verleihen dem Gewebe die Dehnfähigkeit durch das in ihnen enthaltene "Elastin". Vor allem in der Haut, im Knorpel, den Gefäßwänden, der Lunge. Können sich auf das Doppelte dehnen.
"Use it or loose it"
Mit der Kollagenproduktion heilen die Fibroblasten Wunden.
Doch zu viel Kollagen kann auch schaden:
Bewegungsmangel, Schonhaltungen, im schlimmsten Fall Ruhigstellung, zum Beispiel nach einem Knochenbruch, einem Bänderriss oder -zerrung, lässt das Gewebe wuchern und verfilzen.
Das führt zu einem Funktionsverlust.
Auch Entzündungen führen zu Verklebungen der Fasern.
Regelmäßige, ausgewogene Bewegung ist eine wichtige Stimulation für die Faszien:
Zusammenhang verklebte Faszien und Rückenschmerzen:
Die große Rückenfaszie, Fascia thorakolumbalis:
Verantwortlich für 80% der (chronischen) Rückenschmerzen.
Eine riesige "bindegewebige" Struktur im Rücken, die die Schultern mit dem Becken verbindet.
Normalerweise sollen die zwei Faszienschichten gut gegeneinander gleiten können: Über 65% der Länge, wenn der Rücken sich bewegt.
Bei Menschen mit Rückenschmerzen ist diese Bewegung laut Studien oft auf die Hälfte reduziert.
Wird zu viel Kollagen produziert wird das Gleiten schwieriger.
Bewegung/sanftes Stretching, Akupunktur, Faszientechniken können diese Überproduktion wieder stoppen.
Ein Versuch bei Ratten hat gezeigt, dass kleine Verletzungen des Gewebes durch sanften Dehnungen schneller wieder heilen.
Der Grund dafür sind die Fibroblasten, die sich dabei ausdehnen, bis zu 200%, und Signale aussenden, die das Gewebe entspannen.
Zusammenhang emotionaler Stress und Rückenschmerzen:
Faszien können auch völlig unabhängig von Nerven und Muskulatur auf Botenstoffe reagieren.
Besonders spannend im eigentlichen Sinne des Wortes ist die Entdeckung des Botenstoffes, TGF, der auf emotionalem Stress reagiert.
Bei länger bestehender Anspannung verspannen nicht die roten Muskelfasern, sondern das weiße Fasziengewebe.
Das kann man als Therapeut auch sehr gut erspüren..
TENSIGRITÄT:
Tensigrität bedeutet die Zugspannung im Körper:
Nicht die Wirbelsäule haltet uns aufrecht, wie ein Zeltstab, sondern die Faszie hält alles im Körper an seinem Platz.
Sie braucht dazu aber eine gute elastische Vorspannung.
WASSER:
Das elastische Bindegewebe ist ein riesiger Wasserspeicher.
Je nach Alter bis zu 70%.
Die Bindung des Wassers erfolgt über die Fibroblasten:
2 Aufgaben:
- Kollagenproduktion
- Hyaluronbildung: Schmiermittel unseres Bindegewebes: Je weniger Hyaluron unser Gewebe bindet desto schlechter steht es um unsere Beweglichkeit.
Bei zu wenig Feuchtigkeit wird das Gewebe rau und spröde.
Was führt zu vermehrtem Flüssigkeitstausch im Gewebe:
- Ausreichend Trinken
- Bewegung: Stoffwechsel wird angeregt
- Druck und Zug: Faszientechniken, wie Schwamm ausdrücken, langsam, jede Pore entleeren um Platz für neue Flüssigkeit zu machen.
Was passiert nach Bewegung und manueller Manipulation/Massage:
- Mehr Dynamik, Stoffwechsel, Durchblutung.
- Mehr Feuchtigkeit: Alte Flüssigkeit wird durch neue ersetzt. Faszien können wieder besser gleiten.
- Kollagene Fasern werden neu ausgerichtet, .
Bei regelmäßiger Bewegung starten die Fibroblasten innerhalb von 3 Tagen mit der Produktion von frischem Kollagen und lösen so verfilzte Faszien.
Es kann aber bis zu einem Jahr dauern bis sich das Gewebe wieder vollständig regeneriert.
Richtige Dosierung der Bewegung ist wichtig.
Wenn ich Sport mache setzte ich Mikroverletzungen in diesen "Spinnweben", deshalb ist Regeneration sehr wichtig.
Fibroblasten/Baumeisterzellen müssen Zeit haben zu reagieren.
Das richtige Wechselbad: Intensive Belastung und 2-3 Tage Pause.
Akupunktur:
Unsere Fibroblasten reagieren auch auf einige Zentimeter Entfernung.
Sie dehnen sich aus, das Gewebe entspannt und ATP wird freigesetzt, ein Botenstoff der sehr wahrscheinlich mit der schmerzlindernden Wirkung der Akupunktur zu tun hat.
Der Blick bei der Behandlung von Rückenschmerzen richtet sich weg von den Bandscheiben hin zur Faszie.
Faszien spielen sehr große Rolle bei den weichteilbedingten Rückenschmerzen.
Unzählige Schmerzrezeptoren durchziehen das Bindegewebe und machen es zu unserm empfindlichsten Schmerzorgan.
Substanz P (Pain), Einfluss der Reizung der Faszie ist deutlich größer als der der Reizung des Muskels.
Stress oder traumatische Erfahrungen und chronischer Rückenschmerz:
Stress wirkt sich unmittelbar über den Sympathikus aus:
Dieser führt vom Gehirn aus zum Rückenmark zu allen Organen und stellt auf "Fight or Fly":
Erhöhter Puls feuchte Hände und zittrige Stimme.
Im Bindegewebe ist ein Geflecht von vielen kleinen sympathischen Fasern, die Substanzen freisetzen, die zu einer Kontraktion der Blutgefäße führen.
Emotionaler Stress führt vor allem zu einem Unterschied im "Tiefenschmerzempfinden".
Schmerzen prägen sich besonders schnell im Gehirn ein und chronifizieren.
Behandlungsform aus der Traumatherapie: EMDR, durch Augenbewegung sollen belastende Erlebnisse verarbeitet werden.
FAZIT:
- Stress kann Rückenschmerzen auslösen und verschlimmern.
- Bewegung und Faszienarbeit kann Verklebungen lösen und Schmerzen lindern.
- Auch Akupunktur findet seine Bestätigung.
- Hier kann Heilung beginnen.
- Die Wissenschaft setzt große Hoffnung in die Faszienforschung, auch in der Onkologie.
- Die Faszien sind Ursache für viele unerklärbare Schmerzen und Probleme, aber auch ein Quell der Heilung.
Quellen:
Fortbildung: Yoga-Faszientraining
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Vroni N. (Mittwoch, 01 Mai 2024 14:52)
Sehr interessant die Faszien und wieder mal viel aus deinem Blog Neues mitgenommen:) Dankeschön liebe Michi :*